Oetztaler / A

oder

"ich habe einen Traum"

Stand 14. September 2008

von Transalp-Finisher Bernd Ries


Ich habe einen Traum, so das Motto des Oetztaler Radmarathon.

Die Eckdaten:
Oetz-Kühtai 17.3km, Höhenunterschied 1200m
Innsbruck-Brenner 38.2km, Höhenunterschied 697m
Gasteig-Jaufenpass 21.6km, Höhenunterschied 1130m
St.Leonhard-Timmelsjoch 31.4km, Höhenunterschied 1759m

Während normale Menschen das Wochenende nach einer langen Radsaison nutzen, um mal auszuschlafen, hatten Stephan und ich anderes vor: Oetztaler Radmarathon in Sölden, 238 km, 5500hm. Eigentlich verrückt, weil wir den beide schon mal gefahren sind und einstimmig beschlossen hatten: Nie wieder. Eine Teammeldung des Radhaus Bonnet/Schaafheim und die darauffolgende Zustimmung von Sabine und Elke, unseren besseren Hälften, veränderten diese Einstellung relativ schnell.

Am Freitagmittag den 29.08.08 ging die Reise von Obertshausen los. Wir kamen nach staufreier Fahrt um 23.00 Uhr in Sölden im Hotel Tyroler Hof an. Die Zimmerschüssel lagen an der Rezeption parat und es ging sofort ins Bett.

Am Samstagmorgen schnell die Startunterlagen geholt und den restlichen Tag bei herrlichem Wetter in verschiedenen Radläden und auf den üblichen Messeständen vertrödelt. Dabei tausende Radfahrer mitleidig belächelt, die die Hauptstrasse hoch und runter gefahren sind. Dort herrschte ein Verkehr wie bei Ferienbeginn in sämtlichen Bundesländern auf der A3 rund ums Frankfurter Kreuz.

Am Abend haben wir dann gemeinsam mit dem Team Bonnet lecker im Hotel vom Buffet gegessen. Das Hotel war fest in italienischer Hand und die haben ca. 50 kg Spaghetti, anstelle sich am Buffet zu bedienen, vernichtet. Stepahn und ich bevorzugten lieber Fisch mit Reis und Kartoffeln.

Sonntagmorgen, 4:30 Uhr: der Wecker klingelt ? geschlafen hab ich eh nicht, da ich wie vor jedem Wettkampf, warum auch immer, total aufgeregt war. Um 5:00 Uhr gefrühstückt und kaum einen Bissen hinunter bekommen. Zum Glück mussten keine Jeantex-Transalptaschen gepackt und ins Hotelfoyer transportiert werden, Start und Ziel war ja Sölden. Total ungewohnt nach zwei Transalps.

Um 5:45 Uhr Treff mit den Teamkollegen vom Radhaus vor dem Hotel, um locker in die Startaufstellung zu rollen und einen guten Startplatz zu bekommen. Die Nervosität war greifbar und da hatte ich Stephan, mit dem ich wenigstens das Kühtai hochfahren wollte, bereits verloren. Ein kurzer Umdreher reichte und da hat sich Stephan schon der zweiten Radhaus-Gruppe angeschlossen. Nach einem Linsenverlust bei einer Transalpetappe zum Stilfser Joch bin ich diesmal mit Sonnenbrille/geschliffenen Gläsern gefahren. Man ist ja immer noch lernfähig und ausserdem war die Wettervorhersage sehr gut. Mit Regen war erst am späten Nachmittag zu rechnen. Da wollte ich schon im Ziel sein. Die österreichischen Wetterfrösche sollten ausnahmsweise Recht behalten. Aber auch in Sölden ist es morgens früh noch dunkel. Da gab´s leider kein Abklatschen und kein "viel Glück wünschen", wie sonst üblich vor unseren Wettkämpfen. Kein gutes Omen für ein so langes Rennen.

Ich stand dann schon um 6:00 Uhr in der Startaufstellung. Die Zeit bis zum Startschuss um 6:45 Uhr verging aber wie immer im Fluge. Kein lockeres Einrollen, sondern sofort Vollgas und leicht bergab von Sölden in nur 37 Minuten wie im Tiefflug runter nach Ötz. Trotz viel mehr Teilnehmer als bei der Transalp kam mir das Ganze etwas disziplinierter vor. Es gab aber leider auch hier mehrere Unfälle, so wurde mir später berichtet.

In Ötz angekommen gings zum 2.020 Meter hohen Kühtai. Nach 1 Std. 14 Min. voll im Zeitplan oben angekommen. Die erste Verpflegung nach 51 km komplett ausgelassen, ich hatte ja noch zwei fast volle Flaschen und jede Menge Gels und Riegel in meinen Trikottaschen. Bis zur nächsten Labe am Brenner bei Km 127 sollte das reichen. Die Abfahrt vom Kühtai war absolut gigantisch, eine nicht enden wollende Gerade bei strahlend blauem Himmel, Radfahrerherz, was willst du mehr. 108 km/h zeigte mein Tacho an. Wow, so schnell war ich noch nie mit dem Rad.

Von Innsbruck wenig bis nichts mitbekommen und gleich hoch zum Brenner, von dem ich ja wusste, dass dieser meiner Fahrweise sehr entgegenkommt. Ich fand eine Gruppe mit über 100 Fahrern und bin in 1:18 Std. und einem Durchschnitt von 29,241 km/h den Brenner hochgefahren. Viel zu schnell, das sollte ich später noch erfahren.

Am Brenner kurz gehalten, 2 Cola getrunken, die Flaschen gefüllt und weiter gings nach Sterzing, um den Jaufenpass in Angriff zu nehmen. Am Brenner hatte ich meinen selbstgesteckten Zeitplan um mehr als 30 Min. unterboten.

Dann aber nahm das Leiden seinen Lauf, es wurde immer wärmer und die Beine immer schwerer. Normalerweise liegt mir der Jaufenpass, ich bin diesen bereits zweimal ohne Schwierigkeiten hoch gefahren. Diesmal, lag es an der Hitze oder an den mangelnden Berg-Trainingskilometer - ich hatte mehrere Sonntagmorgen mit Sabine im Bett anstatt auf dem Rad verbracht - lief es überhaupt nicht. Soweit ich mich erinnere, konnte ich niemanden überholen, wurde aber selbst weit nach hinten durchgereicht. Auf dreiviertel Höhe begannen auch noch die Beine zu krampfen. Wie sollte ich so das Timmesljoch hochkommen?? Nach 1:24 Std., 8 Minuten langsamer als bei meiner ersten Teilnahme, erreichte ich endlich die Passhöhe und die dritte Labe. Kurz gerastet, eine Kleinigkeit gegessen und getrunken und gleich weiter. Nur nicht lange aufhalten, ich wollte mich während der Abfahrt auf dem Rad erholen. Da war aber auch nur der Wunsch der Vater des Gedanken. Die Abfahrt nach St. Leonard war schwierig und erforderte höchste Konzentration.

In St. Leonard in den legendären Kreisel gestochen und sofort gings wieder nach oben. Jetzt geht der Ötztaler erst richtig los. Mein Tacho zeigte die Geschwindigkeit nur noch einstellig an, ein Wunder, daß ich bei der Auffahrt nicht vom Rad gefallen bin. Irgendwie habe ich es dann doch geschafft, nach 2:42 Std., 32 Minuten langsamer als geplant, auf dem höchsten Punkt bei 2.509 Metern anzukommen. Eine enorme Ausschüttung von Glückshormonen beflügelte mich wieder und nach einem kurzen finalen Anstieg zur Mautstation ging es die langen Wellen abwärts Richtung Sölden.

Dort kam ich auch nach 9:50 Stunden und einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 24,16 km/h an. Immerhin war ich dieses Mal fast 40 Minuten schneller wie 2005.

Später im Zielkanal, ich hatte die Sonnenbrille wegen des einsetzenden Regen gegen eine normale Brille getauscht, habe ich auch Stephan wieder getroffen. Er kam nach 11:55 Std. mit sich und der Welt zufrieden ins Ziel.

Bemerkung von Stephan: Beim Zieleinlauf Bernd gesehen, die Freude war groß, unverletzt und ohne Schaden das Ziel erreicht zu haben und daß mein Freund Bernd am Ziel stand und mich begrüßte. Aber noch auf dem Fahrrad deutlichst darauf hingewiesen, dass es das letzte Mal war. Die Gäste, die um Bernd herum standen, hatten schon Angst, die Freundschaft sei gekündigt, hatten aber dann doch das Lächeln in meinem Gesicht gesehen.

Unser Fazit: Großartige Veranstaltung, muss aber jetzt wirklich nicht mehr sein. Na ja, man soll ja nie nie sagen. Irgendwann 9:15 Std oder mal unter 9 Std. auf der Ergebnisliste wären auch nicht schlecht.